frau.alkoholfrei's Infothek - Wissen, das gut tut.
Die Infothek von frau.alkoholfrei ist kein nüchterner Wissensspeicher. Sie ist ein stiller Ort zum Nachdenken, Stöbern und Sich-wiederfinden. Eine kleine Bibliothek mit Herz – gefüllt mit ehrlichen Antworten, undogmatischen Impulsen und liebevoll gesammeltem Wissen rund ums alkoholfreie Leben.
Hier findest du keine starren Regeln, sondern echte Erfahrungen. Keine moralischen Konzepte, sondern sanfte Strategien für den Alltag. Kein Dogma – aber ein Raum zum Aufatmen.
Ob du gerade erst neugierig bist, weniger trinken möchtest oder schon eine Weile klar bleibst – die Infothek ist für dich da.
Mit Texten, die dich begleiten, wenn es schwer ist. Mit Gedanken, die sich anfühlen wie eine Hand auf der Schulter. Und mit Fragen, die nicht belehren, sondern erinnern.
Du findest hier:
✨ fundiertes Wissen – verständlich und ehrlich
✨ Reflexionen aus meinem alkoholfreien Alltag
✨ kleine Aha-Momente für grosse Veränderungen
✨ Strategien, die sich nicht nach Mühe anfühlen – sondern nach dir
Aloha bedeutet: Die Präsenz des Atems.
Und genau das wünsche ich dir beim Lesen. Kein Druck. Keine Pflicht. Nur du, dein Weg – und ein bisschen Licht zwischen den Zeilen.



Alkohol und Erwachsenwerden: Warum der erste Schluck mehr als nur ein Getränk war
Ich weiss es noch, als wärs erst gestern gewesen.
Wir waren in den Sommerferien an der Algarve. Meine Eltern, mein Onkel und seine Freundin, ein kleines Restaurant im Nirgendwo und wir, die in der Küche des Restaurants Zürcher Geschnetzeltes kochen durften. Ein lauer Sommerabend. Es roch nach Portugal und warmem Staub, und ich fühlte mich das erste Mal nicht mehr wie ein Kind. Ich war ungefähr vierzehn oder fünfzehn. Und an diesem einen Abend, irgendwo zwischen Zürcher Geschnetzeltem, Rösti und Brot, stand da mein erstes Glas Wein vor mir. Weiss. Portugiesisch. Ganz offiziell. Ganz selbstverständlich. Was fühlte ich mich erwachsen - und war froh, meine Familie dabei zu haben.
Ich erinnere mich daran, wie ich tat, als wäre das völlig normal. Wie ich es mir innerlich schon tausendmal ausgemalt hatte. Wie ich mit den Erwachsenen mitreden, dazugehören, „reif wirken“ wollte. Es war nicht mal besonders viel. Aber es fühlte sich an wie ein Initiationsritus. Ich trank, lächelte, fühlte mich ein bisschen stolz – und musste eine Stunde später mit einem müden Kopf ins Auto zum Schlafen. Und doch: Ich fühlte mich erwachsen. Irgendwie.
Wenn ich heute zurückblicke - etwas schmunzeln muss ich ja schon - merke ich: Es war gar nicht der Wein an sich. Es war das Symbol. Ich durfte etwas, was sonst nur die Grossen durften. Ich war plötzlich Teil einer Welt, die mir bisher verschlossen war. Kein Wunder, dass sich dieses Erlebnis eingebrannt hat. Es war der Moment, in dem ich mich von meinem Kindsein abgelöst habe – zumindest ein Stück weit.
Und genau das begegnet mir heute, in meiner undogmatischen alkoholfreien Welt, immer wieder: Die tiefe Verbindung von Alkohol und Erwachsenwerden. Dieser Gedanke, dass wir uns mit dem ersten Bier, dem ersten Gin Tonic, dem ersten Schluck Wein irgendwie „beweisen“. Dass wir dazugehören. Dass wir uns emanzipieren – von Eltern, Regeln, Kindheit.
Psychologisch gesehen ist das kein Zufall. Unsere Gesellschaft verknüpft Alkohol mit Freiheit. Mit Selbstbestimmung. Mit Genuss und Lebenskunst. Alkohol trinken wird zum Ritual der Selbstermächtigung. Der Satz „Jetzt darf ich endlich“ klingt da oft mit – sei es beim ersten legalen Drink mit 16 oder beim Glas Prosecco zur bestandenen Prüfung. Es geht nicht um den Rausch. Es geht um das Gefühl: Ich bin erwachsen. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen.
Und genau hier liegt auch das Dilemma, wenn wir später – oft aus einem ganz anderen Bewusstsein heraus – diesen Konsum hinterfragen. Wenn wir beginnen, weniger oder gar nichts mehr zu trinken. Auf einmal fühlen wir uns wieder konfrontiert mit genau dieser Frage: Bin ich jetzt langweilig? Unsozial? Spassbefreit? Nicht mehr „dabei“? Es ist, als müssten wir uns ein zweites Mal emanzipieren – diesmal nicht vom Elternhaus, sondern von gesellschaftlichen Mustern. Von Erwartungshaltungen. Von Gewohnheiten, die nie hinterfragt wurden.
Ich erinnere mich gut an mein Gefühl, als ich vor anderthalb Jahren das erste Mal sagte: „Ich trinke jetzt mal einen Monat lang keinen Alkohol.“ Und wie daraus ein Jahr wurde. Und dann mehr. Nicht, weil ich musste. Sondern weil ich neugierig war. Und was da alles hochkam – an Gefühlen, Erinnerungen, Gewohnheiten – war viel grösser, als ich dachte. Auf einmal war da wieder dieses Teenager-Ich in mir, das leise flüsterte: „Aber ich will doch dazugehören …“
Und das ist vielleicht die ehrlichste Erkenntnis auf diesem Weg: Dass das Trinken nie nur körperlich war. Sondern zutiefst emotional, sozial, identitätsstiftend. Dass es verknüpft war mit dem Gefühl, „frei“ zu sein. Stark. Selbstbestimmt. Und dass es gleichzeitig eine Einladung ist, genau diese Freiheit neu zu definieren.
Heute weiss ich: Mein Erwachsensein hängt nicht an einem Glas. Nicht an der Fähigkeit, in einer Bar mittrinken zu können. Sondern an meiner Entscheidung, mich selbst zu spüren. Klar zu bleiben – nicht im Kopf, sondern im Herzen.
Ich kann im Pub sitzen, lachen, reden, tanzen. Auch mit einem alkoholfreien Guinness in der Hand. Und ich bin noch dieselbe. Nur bewusster. Ich habe nichts verloren – ausser vielleicht den Kater am nächsten Tag. Aber ich habe so viel gewonnen: Klarheit. Tiefe. Eine neue Verbindung zu mir.
Alkohol war lange Teil meines Erwachsenwerdens. Heute ist mein alkoholfreier Weg Teil meines Erwachsenseins.
Und vielleicht, ganz vielleicht, ist es das, worum es eigentlich geht: Nicht um das Glas. Sondern um das Gefühl, dass wir selbst entscheiden dürfen, was zu uns passt. Und was nicht mehr.
Wenn du dich also fragst, warum es dir manchmal so schwerfällt, weniger oder gar nichts zu trinken – obwohl du es eigentlich willst – dann erinnere dich: Du brichst nicht nur mit einer Gewohnheit. Sondern mit einem Bild von dir selbst. Mit einer Geschichte, die lange galt. Und das braucht Mut. Aber auch Sanftheit.
Und vielleicht ja auch ein bisschen portugiesischen Sommerstaub auf der Haut – und das Wissen: Du darfst neu wählen. Immer wieder. In deinem Tempo. Auf deine Weise.
„Ich trinke ja kaum“ – Warum auch wenig Alkohol viel verändern kann
Ein persönlicher Blick auf leise Gewohnheiten und grosse Veränderungen
Ich weiss noch genau, wie ich damals zu meinem Partner sagte: „Ich trinke ja eigentlich kaum. Das wird gar keinen grossen Unterschied machen.“ Und wie wir beide gelacht haben. Nicht aus Übermut, sondern aus dieser typischen Mischung aus Neugier und leiser Ahnung, dass wir vielleicht doch etwas unterschätzen.
Denn ja – objektiv betrachtet war ich nie jemand, der „viel“ trank (resp. nur ab und an alle paar Schaltjahre mal eine exessive Alkoholentgleisung hatte). Kein tägliches Feierabendbier. Kein ständiger Wein zur Pasta. Kein exzessives Ausgehen. Eher so: das Glas Rotwein an einem gemütlichen Sonntag. Der Gin Tonic bei einem Serienabend. Ein Guinness im Pub. Genussvoll. In Gesellschaft. In kleinen Ritualen, die sich wie Zement zwischen den Alltag schoben. Und genau das war der Punkt.
Was passiert eigentlich, wenn man genau diesen kleinen Konsum mal weglässt?
Am Anfang dachte ich wirklich: Nichts. Vielleicht etwas weniger Zucker. Vielleicht ein bisschen besserer Schlaf. Aber ich war ehrlich gesagt überzeugt davon, dass mein Körper kaum einen Unterschied merken würde. Ich fühlte mich ja gesund. Aktiv. Klar. Und dann kam die erste Woche. Dann der erste Monat. Und plötzlich wurde mir bewusst, dass „kaum“ eben doch nicht „gar nicht“ bedeutet – und dass diese kleinen Gläser ganz schön viel Einfluss hatten.
Was sich zuerst veränderte, war mein Schlaf. Nicht dramatisch. Aber tiefer. Ich wachte morgens erfrischter auf. Irgendwie klarer im Kopf. Dann kam die Veränderung in meiner Haut. Und das war kein Placebo – ich hatte seit Jahren mit unruhiger Haut zu kämpfen, vor allem zyklusbedingt. Und plötzlich: Ruhe. Strahlkraft. Fast, als hätte mein Körper aufgeatmet.
Aber das Erstaunlichste war das Innenleben. Mein Denken. Mein Fühlen. Meine Reaktionen. Ich war nicht mehr ganz so impulsiv. Nicht mehr ganz so müde im Kopf. Ich nahm Nuancen anders wahr. Meine Gedanken waren weniger vernebelt. Mein Bauchgefühl wieder lauter.
Ich weiss noch, wie ich eines Morgens aufstand und plötzlich dachte: So fühlt sich also „richtig wach“ an. Nicht aufgedreht. Sondern präsent. Und das, obwohl ich doch nie „richtig“ getrunken hatte.
Was ich damit sagen will: Auch wenig Alkohol ist Alkohol. Auch gelegentlicher Konsum beeinflusst Körper, Hormonhaushalt, Schlafqualität, Stressregulation, Zyklus, Verdauung, Haut, Leber, Stimmung – und nicht zuletzt unser gesamtes Selbstempfinden. Das ist keine Moralkeule. Es ist schlicht Biologie.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Alkohol so sehr normalisiert ist, dass wir ihn oft gar nicht mehr als Belastung erkennen. Im Gegenteil – wir nehmen ihn als Belohnung wahr. Als Pausenknopf. Als Zeichen von Genuss. Und ja, auch ich habe das Glas Wein geliebt, wenn der Tag lang war. Es hat mir geholfen, abzuschalten. Loszulassen. Für einen kurzen Moment. Aber was ich übersehen habe: Dass der Preis dafür höher war, als ich dachte.
Denn während ich glaubte, mich zu entspannen, musste mein Körper auf Hochtouren arbeiten. Um den Alkohol abzubauen. Um Hormone zu regulieren. Um all das wieder auszugleichen, was ich durch dieses kleine Glas aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Und irgendwann wurde mir klar: Ich hatte mich an ein Grundrauschen gewöhnt. Ein leises Nebelgefühl. Nicht dramatisch. Aber konstant.
Heute frage ich mich oft: Warum braucht es eigentlich erst ein extremes Trinkverhalten, damit wir über Veränderung nachdenken dürfen? Warum setzen wir „Problem“ erst mit „exzessiv“ gleich? Warum reicht es nicht, zu sagen: Ich bin neugierig, wie mein Körper sich ohne Alkohol anfühlt. Auch wenn ich gar nicht viel getrunken habe.
Die Wahrheit ist: Du brauchst kein Drama, um eine Veränderung zu wollen. Kein Tiefpunkt. Kein Absturz. Manchmal reicht ein Impuls. Eine Idee. Eine Sehnsucht nach mehr Klarheit. Nach mehr dir selbst.
Und das Schöne ist: Du musst dich nicht rechtfertigen. Du darfst einfach ausprobieren. Du darfst erforschen, was passiert, wenn der Wein mal Pause macht. Du darfst bemerken, wie es dir geht, wenn der Schlaf tiefer wird. Der Kopf klarer. Die Emotionen echter.
Ich habe mich nie als „Trinkerin“ gesehen. Und doch war der Weg ohne Alkohol eine der kraftvollsten Erfahrungen meines Lebens. Nicht, weil ich zuvor in Gefahr war. Sondern weil ich gemerkt habe, wie gut sich mein Körper ohne dieses „bisschen“ Alkohol anfühlt.
Vielleicht geht es dir ähnlich. Vielleicht sitzt du gerade da und denkst: „Eigentlich trinke ich ja kaum.“ Dann frag dich nicht, ob du auf etwas verzichten würdest. Sondern was du gewinnen könntest. An Energie. An Gefühl. An Verbindung zu dir.
Denn manchmal ist „kaum“ genau das richtige Mass, um zu starten. Und aus einem leisen „Ich probier’s mal“ kann ein ganz neuer Weg entstehen – so wie bei mir. Ohne Dogma. Ohne Zwang. Aber mit einem ehrlichen Ja zu dir.
Du musst nicht laut verzichten. Du darfst still wählen. Und schauen, was sich verändert.
Vielleicht ist es mehr, als du denkst.
Craving verstehen – und neue Wege finden
Was hinter dem Verlangen steckt und wie du ihm begegnen kannst
Ich erinnere mich noch gut an mein erstes richtig intensives Craving. Es war nicht mal ein besonderer Anlass. Kein Fest, kein Streit, keine grosse Sache. Einfach ein ganz normaler Dienstagabend, an dem ich müde war, etwas erschöpft von der Arbeit – und da war es plötzlich. Dieses leise Ziehen. Dieses innere Bild von einem Glas Wein. Kühl, golden, beruhigend. Ich war ja mitten im alkoholfreien Monat und hätte es fast selbst nicht bemerkt: wie schnell der Gedanke kam, wie selbstverständlich er sich anfühlte.
Cravings – also das akute Verlangen nach Alkohol – kommen nicht immer mit lautem Tamtam. Sie schleichen sich oft ein wie ein alter Reflex. Eine Erinnerung. Eine automatische Verknüpfung. Und sie fühlen sich, wenn sie da sind, manchmal so mächtig an, dass man fast vergisst, dass man nein sagen kann.
Was ich in den letzten Monaten gelernt habe: Cravings sind nicht das Problem. Sie sind ein Hinweis. Eine Einladung. Manchmal auch ein kleiner innerer Aufschrei. Und oft haben sie gar nicht viel mit Alkohol selbst zu tun.
Das Verlangen hinter dem Verlangen
Wenn ich heute spüre, dass ein Craving aufkommt, frage ich mich als Erstes: Was genau wünsche ich mir gerade wirklich?
Denn das, wonach ich mich in diesen Momenten sehne, ist fast nie der Alkohol an sich. Es ist das, wofür ich ihn einmal benutzt habe: Ruhe. Abschalten. Entspannung. Nähe. Ein bisschen Weichheit nach einem harten Tag. Oder schlicht: ein kleiner Moment nur für mich.
Viele von uns haben über Jahre – meist unbewusst – gelernt, bestimmte Gefühle oder Bedürfnisse mit Alkohol zu verknüpfen. Wie ein Shortcut. Ein Glas Wein als Belohnung. Ein kühles Bier als Pauseknopf. Ein Gin Tonic als Feierabendritual.
Und das macht es so tricky. Denn das Craving ist nicht nur ein körperlicher Impuls (auch wenn das eine Rolle spielt). Es ist vor allem ein emotionaler. Ein Ruf nach etwas Tieferem.
Cravings sind keine Schwäche
Früher habe ich mich oft geschämt, wenn ich Verlangen hatte. Ich dachte, ich müsste „besser“ sein. Ich müsste das doch im Griff haben. Heute sehe ich das anders. Cravings sind menschlich. Sie bedeuten nicht, dass man versagt hat – sondern dass da gerade ein alter Weg auftaucht, der sich mal vertraut und richtig angefühlt hat.
Und genau das ist der Punkt: Cravings zeigen dir, wo du dich lange nicht anders um dich gekümmert hast. Sie sind wie kleine Wegweiser. Und mit ein bisschen Übung – und viel Mitgefühl – kann man lernen, neue Pfade zu gehen.
Was hilft, wenn das Craving kommt?
Jede:r hat da eigene Strategien. Aber hier sind ein paar Dinge, die mir geholfen haben – und immer noch helfen:
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Stopp und Spürpause: Ich bleibe stehen. Atme. Und frage mich: Was genau brauche ich gerade wirklich? Ruhe? Nähe? Verbindung? Zeit für mich?
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Blick hinter die Kulisse: Ich frage mich: Was ist heute passiert, was dieses Verlangen vielleicht verstärkt hat? Gab es Stress, Frust, Einsamkeit, Langeweile?
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Etwas ganz anderes tun: Manchmal reicht ein Perspektivwechsel. Ein Spaziergang. Eine warme Dusche. Ein alkoholfreier Lieblingsdrink mit Kerzen. Oder ein Gespräch mit jemandem, der mich versteht.
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Worte finden: Ich schreibe auf, was gerade in mir los ist. Ohne Zensur. Einfach raus damit. Cravings verlieren oft an Macht, wenn sie Worte bekommen.
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Mich erinnern: Ich erinnere mich daran, warum ich diesen Weg gewählt habe. An die Klarheit. An das gute Gefühl am Morgen. An mein ganz eigenes Ja zu mir.
Cravings gehen vorbei. Immer.
Das ist vielleicht das Wichtigste, was ich gelernt habe. Kein Craving bleibt für immer. Es fühlt sich manchmal übermächtig an – aber es ebbt ab. Wie eine Welle. Und wenn man das ein paar Mal erlebt hat, wächst das Vertrauen: Ich kann das. Ich bin stärker als der Reflex.
Und ganz ehrlich? Es wird leichter. Mit der Zeit werden die Cravings seltener. Und leiser. Und irgendwann sind sie nur noch kleine Flüstermomente. Nicht mehr die lauten Sirenen, die sie früher waren.
Cravings als Chance
So seltsam das klingt: Heute sehe ich Cravings fast als Geschenk. Sie zeigen mir, wo ich besonders gut für mich sorgen darf. Wo ich alte Muster erkenne – und neue wählen kann. Und sie erinnern mich daran, wie weit ich schon gekommen bin.
Ich bin nicht mehr die Frau, die automatisch zum Glas greift. Ich bin die Frau, die innehält. Die nachspürt. Die sich fragt: Was brauche ich wirklich?
Und oft ist es gar nichts Grosses. Nur ein Moment mit mir. Ein Tee. Ein tiefer Atemzug. Ein leiser Brief an mein Innerstes, der mir sagt: Ich bin da. Für mich.
Craving bedeutet nicht Kontrollverlust. Es bedeutet: Da ist etwas in dir, das gesehen werden will. Und du hast die Kraft, ihm zu begegnen – auf deine Weise.
Ganz ohne Druck. Ohne Dogma. Und mit einem grossen, sanften Ja zu dir selbst.
Dumme Sprüche über Alkoholverzicht - und was dahintersteckt
„Na, bist du schwanger?“ – Warum dumme Sprüche über Alkoholverzicht so wehtun (und was wirklich dahintersteckt)
Ich weiss nicht mehr, wie oft ich diesen Satz gehört habe – manchmal neckisch-flapsig, manchmal halb im Ernst, manchmal mit einem irritierten Blick über den Glasrand. Ich, mit meinem alkoholfreien Getränk in der Hand. Und jemand, der mit der subtilen Treffsicherheit einer Zielsuchrakete fragt: „Na, bist du schwanger?“
Und plötzlich steht er im Raum, der Elefant. Der Blick aller dreht sich zu dir. Und obwohl du genau weisst, dass du keinen Alkohol trinken willst – heute nicht, vielleicht auch morgen nicht –, fühlst du dich ertappt. Bloßgestellt. Wie eine Sonderausgabe von dir selbst, die nicht mehr ganz dazugehört.
Was passiert da eigentlich in solchen Momenten?
Vielleicht gehörst du zu den Frauen, die gerade beginnen, ihre Beziehung zu Alkohol zu hinterfragen. Vielleicht hast du beschlossen, eine Pause einzulegen, oder dich einfach neugierig auf eine alkoholfreie Zeit eingelassen. Und dann kommen sie: die Kommentare. Die Witze. Die Spitzen. Meistens „nicht so gemeint“, aber mit einer messerscharfen Wirkung.
Psychologisch betrachtet ist das alles andere als banal. Denn solche Sprüche haben nichts mit dir persönlich zu tun – sondern ganz viel mit dem Weltbild der anderen.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Alkohol nicht nur normal, sondern sozialer Kit ist. Er steht für Geselligkeit, Erwachsensein, Genuss. Und wenn jemand plötzlich nicht mehr mittrinkt, stellt das dieses Bild leise in Frage. Ohne Worte. Nur durch die Entscheidung, das Glas nicht zu heben.
Das ist für viele unangenehm – weil es ihr eigenes Verhalten (wenn auch nur unbewusst) spiegelt. Und was machen wir Menschen, wenn wir uns verunsichert fühlen? Richtig: Wir schiessen zurück. Manchmal charmant. Manchmal verletzend. Hauptsache, wir verschieben den Fokus schnell wieder weg von uns selbst.
Sätze wie „Du bist aber nicht schwanger, oder?“ oder „Du wirst doch jetzt nicht prüde?“ sind also selten ein echter Ausdruck von Interesse. Viel öfter sind sie ein Versuch, die eigene Unsicherheit zu kompensieren. Und das kann richtig schmerzhaft sein – besonders dann, wenn man selbst noch ganz am Anfang steht und die eigene Entscheidung noch zart ist wie ein Keimling im Frühling.
Ich erinnere mich gut an meinen ersten alkoholfreien Monat. Ich war neugierig, offen, aber auch etwas unsicher. Und obwohl ich diesen Weg ganz freiwillig gegangen bin, traf mich ein Kommentar wie „Du bist ja langweilig geworden“ mit voller Wucht. Ich musste mich innerlich sammeln. Atmen. Und mir selbst sagen: Du bist nicht falsch. Du bist einfach gerade anders unterwegs.
Mit der Zeit habe ich gelernt, solche Sätze nicht mehr persönlich zu nehmen. Ich habe verstanden: Diese Sprüche sind nicht gegen mich gerichtet – sondern Ausdruck von Irritation, vielleicht sogar von Neid. Denn wer ehrlich hinschaut, weiss: Die Entscheidung, mal nicht zu trinken, ist alles andere als schwach. Sie ist mutig. Und unbequem. Weil sie nicht ins Bild passt.
Und das bringt uns zu einem wichtigen Punkt: Verzicht irritiert. Besonders dann, wenn er nicht aus einer Not, sondern aus einer bewussten Entscheidung heraus entsteht. Wenn jemand Alkohol meidet, ohne dass er oder sie „muss“, dann stellt das das ganze Konzept von „Ich hab das verdient“, „Man gönnt sich ja sonst nichts“ oder „Ohne ist’s doch kein Spass“ leise auf den Prüfstand.
Du wirst also zur unbequemen Erinnerung daran, dass es auch anders geht. Und das ist nicht jedermanns Sache.
Was also tun, wenn der nächste Spruch kommt?
Du hast viele Möglichkeiten – und keine davon muss laut, rechthaberisch oder erklärend sein. Hier ein paar Gedanken:
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Mit Humor antworten:
„Nein, nur nüchtern gut gelaunt.“
„Nee – einfach rebellisch mit Sprudel.“ -
Mit Klarheit stehen bleiben:
„Ich trinke gerade nicht. Und das fühlt sich gut an.“
„Ich probiere gerade etwas Neues. Und bin gespannt, was es mir zeigt.“ -
Mit Stille reagieren:
Du musst nicht alles kommentieren. Manchmal ist ein ruhiger Blick mehr als jede Erklärung.
Und wenn du innerlich doch wackelst – sei liebevoll mit dir. Du bist nicht komisch, empfindlich oder übertrieben. Du bist nur dabei, alte Bilder zu hinterfragen. Und das braucht Mut.
Denn die Wahrheit ist: Es geht hier nicht um ein Glas Wein oder Bier. Es geht um Zugehörigkeit. Um Selbstbild. Um Identität. Um das Gefühl, nicht komisch sein zu wollen – nur weil man eine andere Wahl trifft.
Wenn du also beim nächsten Mal wieder gefragt wirst, ob du schwanger bist, prüde, langweilig oder „nicht mehr du selbst“ – erinnere dich daran: Du bist nicht weniger du. Du bist vielleicht sogar ein bisschen mehr. Mehr bei dir. Mehr im Gefühl. Mehr in der Verbindung mit dem, was dir wirklich gut tut.
Und vielleicht – irgendwann – wird der Moment kommen, an dem du bei solchen Sprüchen nicht mal mehr innerlich zusammenzuckst. Sondern schmunzelst. Weil du weisst, was dahintersteckt. Und weil du spürst, dass dein Weg genau richtig ist.
frau.alkoholfrei darf unbequem sein. Denn sie ist ehrlich.
Und du darfst lernen, dich selbst durch solche Momente hindurch zu halten – nicht perfekt, aber echt.
Und vielleicht, wenn du magst, schreibst du selbst mal einen Brief an diesen einen dummen Spruch. Oder an das Gefühl, „nicht mehr dazuzugehören“. Ich bin sicher, er hätte viel zu sagen. Und du auch.
Frauen und Alkohol – eine stille Verbindung mit vielen Gesichtern
Gesellschaftliche Muster, Rollenbilder und warum Wein oft mehr ist als ein Getränk.
Ich erinnere mich gut an meine Dienstagabende. Es war ein kleines Ritual: Ich stand am Bügelbrett, neben mir ein Glas Syrah, im Hintergrund „Sex and the City“. Carrie philosophierte über Männer, Freundschaft und das Leben, während ich Hemden glättete – und mich ein bisschen mehr wie eine Frau fühlte, die das Leben im Griff hat. Dieses eine Glas war mehr als nur ein Getränk. Es war eine Begleitung. Ein stiller Marker für: Ich bin jetzt erwachsen. Ich habe meinen Alltag. Ich darf mir das gönnen.
Alkohol und Frauen – das ist eine Beziehung mit vielen Schichten. Lange war das Trinken eine Männerdomäne. Bier, Whiskey, Stammtisch – das war männlich. Frauen dagegen sollten zart, zurückhaltend, häuslich sein. Doch irgendwann hat sich das Bild gewandelt. Mit dem gesellschaftlichen Wandel, mit der Emanzipation, mit der Überforderung, die oft damit einherging. Plötzlich war es völlig normal, dass Frauen ihren Feierabend mit einem Glas Wein einleiteten. Und dieses Bild – die Frau mit Rotwein in der Hand, lächelnd, genussvoll, selbstbestimmt – wurde zu einer Art modernen Ikone.
Doch was steckt wirklich dahinter?
Viele Frauen trinken nicht exzessiv. Sie trinken maßvoll, gesellschaftlich akzeptiert, eingebettet in Rituale. Das Glas Wein beim Kochen. Der Prosecco am Frauenabend. Der Gin Tonic nach einem langen Tag. Es scheint harmlos. Und doch erzählen viele, dass sie sich irgendwann nicht mehr ganz wohl damit fühlen. Dass sie merken, wie selbstverständlich der Griff zum Glas geworden ist. Wie oft das Trinken eigentlich ein kleiner Akt der Selbstberuhigung war. Ein Moment der Pause. Eine leise Kompensation.
Psychologisch gesehen übernimmt Alkohol bei vielen Frauen eine Funktion. Er ist Beruhigung, Belohnung, Verbindung. Oft auch ein Mittel, um kurz der ständigen Anforderung zu entkommen. Denn das Rollenbild hat sich zwar modernisiert – aber nicht unbedingt erleichtert. Heute sind Frauen berufstätig, Mütter, Partnerinnen, Freundinnen, Töchter – und in allem möglichst präsent, stark und organisiert. Und das Glas Wein ist oft der Moment, in dem all das kurz abfallen darf. Oder es sich wenigstens so anfühlt.
Viele erzählen, dass sie sich beim ersten bewussten Verzicht nackt fühlten. Oder irgendwie „weniger Frau“. Kein Glas zum Anstoßen? Kein gemeinsamer Drink mit der Freundin? Keine Auszeit mit dem Ritual, das man sich über Jahre geschaffen hat? Das zeigt: Alkohol ist für viele Frauen kein Genussmittel im engeren Sinne – sondern ein Teil ihres Selbstbilds geworden. Still. Unauffällig. Aber wirksam.
Und genau das macht es so schwer, ehrlich hinzusehen. Denn niemand will sich eingestehen, dass ein Glas Wein am Abend vielleicht doch mehr Bedeutung hat, als man denkt. Dass es nicht nur um Geschmack geht. Sondern um das Gefühl, in all dem Funktionieren einen Moment für sich selbst zu haben.
Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Wochenende ohne Alkohol, als ich dachte: Und jetzt? Wie feiere ich, wie entspanne ich, wie komme ich runter – ohne diesen einen Schluck? Die Antwort kam nicht sofort. Aber sie kam. Und sie war so vielschichtig wie das Trinken selbst. Ich entdeckte neue Rituale. Andere Wege zur Ruhe. Und vor allem: Ich entdeckte mich selbst wieder, jenseits der Gläser.
Das heißt nicht, dass alle Frauen mit Alkohol ein Problem haben. Aber viele haben eine Beziehung dazu, die mehr Aufmerksamkeit verdient. Nicht aus Misstrauen. Sondern aus Fürsorge. Und manchmal hilft es, sich genau das zu fragen: Warum trinke ich gerade? Was gibt mir dieses Glas – und was nehme ich dafür in Kauf?
Wenn ich heute an mein Syrah-Bügelritual zurückdenke, schmunzle ich. Ich war nie süchtig. Ich habe nie übermäßig getrunken. Aber ich war verbunden mit dem Gefühl, dass dieser Schluck mir etwas gibt, was ich mir selbst anders nicht genommen habe: eine kleine Pause, ein kleines Stück Freiheit, ein bisschen Glamour – zwischen Alltag und Verantwortung.
Heute gönne ich mir diese Pause anders. Mit Musik, mit Duft, mit einem alkoholfreien Drink, der genauso gut schmeckt – aber nicht benebelt. Ich habe nichts verloren. Aber ich habe viel über mich gelernt. Und das ist vielleicht die größte Freiheit.